„Viel Fleisch und Fast-Food, wenig Arzt“ – eine provokante Aussage, doch häufig zutreffend, wenn es um das Thema Männer und deren Gesundheitsverhalten geht. Wie sich dieser Lebensstil konkret auf die männliche Gesundheit auswirkt, das dokumentieren Statistiken: Danach haben Männer in Westeuropa eine um fünf Jahre geringere Lebenserwartungen als Frauen.
Vom medizinischen Fortschritt und den Vorsorgeangeboten profitieren Männer zumindest objektiv ebenso wie Frauen, doch subjektiv scheint das anders zu verlaufen. Ursachenforschung und Handlungsbedarf ist angezeigt. Der BGM-Experte Professor Volker Nürnberg hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt: Warum ist das so? Wie kann man es ändern? Und was kann in der Gesundheitsförderung dafür getan werden?
PROF. DR. VOLKER NÜRNBERG
Das große Paradoxon ist eben, dass Männer und Frauen ganz unterschiedliche Gesundheits- und Krankheitsgeschehen haben. Das heißt, Männer sind viel, viel kränker, fühlen sich aber viel gesünder. Und Frauen sind gesünder, sind aber viel sensibler, was die Selbstwahrnehmung ihres Körpers angeht und gehen deshalb auch regelmäßiger zum Arzt, gehen regelmäßiger zur Vorsorge, während sich die Männer eigentlich vollkommen entziehen. Man sagt bösartig: Männer fühlen sich gesund bis in den Tod.
Die Ursachen und Gründe dafür sind komplex und berühren besonders gesellschaftliche und soziale Aspekte, denn aufgrund neuerer Forschungsergebnisse sind genetische oder biologische Ursachen offenbar weniger relevant als bisher angenommen.
PROF. DR. VOLKER NÜRNBERG
Es liegt daran, dass eben die historische Entwicklung so ist, dass Männer glauben, sie sind das starke Geschlecht, da wird Krankheit nicht mit verbunden. Es hängt daran, dass es zu wenig zielgruppenspezifische Angebote gab, die exakt für Männer oder bestimmte Untergruppen von Männern zugeschnitten sind, weil da braucht man eine besondere Ansprache. Bisher ist es so, dass sich Männer der Vorsorge gänzlich entziehen, wenn wir nur das Beispiel nehmen: Vier Millionen Männer gehen zur Prostata-Voruntersuchung pro Jahr, aber fast 20 Millionen Frauen gehen zur Brustkrebsvorsorge. Und da ist ein ganz, ganz großes Delta, was wir nur lösen, wenn wir Angebote schaffen, die Männer besser ansprechen.
Geschlechtersensibilität als wichtiges Qualitätskriterium bei den Angeboten der Gesundheitsförderung und Vorsorge ist notwendig. Doch wie könnte das konkret im Betrieblichen Gesundheitsmanagement umgesetzt werden? Hier sind Ideen und Strategien gefragt. Welche Mittel und Methoden könnten eingesetzt werden, damit sich Männer besser angesprochen fühlen?
PROF. DR. VOLKER NÜRNBERG
Ich denke, wir müssen die Gesundheitsförderungsangebote modernisieren. Wir müssen neue Medien einsetzen und wir müssen mit neuen Tricks arbeiten, um die Männer hervorzulocken. Gamification ist ein Trend, dass man über Quiz, über Wettbewerbe versucht Inhalte an den Mann zu bringen im wörtlichen Sinne, gerade Wettbewerbe, weil die Männer messen sich gerne untereinander. Wenn es darum geht, zehn Quizfragen zur Gesundheit zu beantworten, dann ist das viel besser, als wenn man einen frontalen Input macht. Weitere moderne Ansätze sind zum Beispiel das sogenannte Nudging. Nudging ist wörtlich übersetzt Anstupsen, das heißt, man beeinflusst die Männer unterbewusst hin zu einem gesundheitsgerechteren Verhalten. Also Beispiel: In der Kantine stellen wir das gesunde Essen genau auf Augenhöhe und das Ungesunde verstecken wir unten ganz schwer, sodass man nicht rankommt. Das ist dann Nudging, weil der Mann ist bequem, der greift dann auf Augenhöhe, eher zum gesunden Essen. Und vielleicht noch ein letztes, womit ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist die sogenannte Incentivierung, das heißt, wir belohnen den Mann dafür, wenn er etwas Gesundes getan hat, wenn er Verhalten nachhaltig geändert hat, mit materiellen oder immateriellen Gadgets, so dass er sich gewertschätzt fühlt.
Zielgruppenorientierte Prävention – das bedeutet auch stärker zu differenzieren, die Bedürfnisse bestimmter Berufs-, Alters- oder sozialer Gruppen mehr als bisher zu berücksichtigen. Das heißt: maßgeschneiderte Angebote in der praktischen Umsetzung. Das könnte jedoch mit höherem Aufwand verbunden sein, und das könnte wiederum manche Unternehmen abschrecken.
PROF. DR. VOLKER NÜRNBERG
Die Prävention zielgruppenspezifischer zu machen, bedeutet sicher insbesondere organisatorisch erst mal eine Umstellung und auch in Einzelfällen mehr Aufwand, das ist sicher richtig. Man muss ja auch immer die Kosten im Blick haben für eine Firma, einen Sozialversicherungsträger, wen auch immer. Wobei man auf der anderen Seite sagen muss, neue Angebote, die digitalen, die sind eher günstiger als die konventionellen, weil das standardisierte Prozesse sind, so dass man eigentlich durch Nutzen von Effizienzen und gute Organisation nicht zwangsläufig mehr Kosten haben muss, dadurch, dass man die Angebote zielgruppenspezifisch macht.
Auch wenn das Handlungsfeld „geschlechterspezifische Angebote“ bislang in der betrieblichen Gesundheitsförderung noch nicht ausreichend berücksichtigt wird, gibt es bereits einige erfolgreiche Ansätze und Beispiele. Für die weitere Entwicklung sind Informationsaustausch und Vernetzung besonders wichtig. So gibt es inzwischen eine Reihe von Organisationen und Portalen zur Männergesundheit. Informationen dazu auf dieser Website.