Zur gesundheitsfördernden Wirkung von Bewegung gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien, einige wurden auch hier an der „Deutschen Sporthochschule Köln“ erarbeitet. Für Professor Ingo Froböse, dem Leiter des „Instituts für Bewegungstherapie und Bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation“ ist Bewegung die entscheidende Basis in punkto Gesundheit. Seit langem dokumentiert er, in welcher Weise sich gezieltes Training auf die verschiedenen Organsysteme auswirken kann.
PROF. INGO FROBÖSE
Wo wir uns häufig als Mann Gedanken machen, ist das Herz- Kreislauf- System. Wir haben Sorge, hält unser Kreislauf noch durch, hält unsere Herzfrequenz, unser Herz in seiner Leistungsfähigkeit noch? Wir haben eine hohe Herzfrequenz. Diese liegt im Mittel bei den Deutschen bei 61 Schlägen. Kann man messen, morgens vor dem Aufstehen. Und durch Ausdauertraining, durch regelmäßiges Herz-Kreislauf-Training, Spazierengehen, Walken, Nordic Walking, Radeln, Schwimmen, Laufen, durch diese regelmäßige Beanspruchung wird das Herz in seiner Arbeit ökonomischer. Es bekommt ein größeres Drehmoment, der Herzmuskel wird größer und wir wissen, wenn wir ein größeres Drehmoment haben, muß die Drehzahl geringer werden, um die gleiche Leistung zu erbringen. Also in der Summe heißt das, wir sparen Schläge, Drehzahl-Reduktion. Um mal eine Zahl zu sagen: Schaffe ich es, die Ruhe-Herzfrequenz oder die Herzfunktion insgesamt im Tagesverlauf um zehn Schläge pro Minute zu reduzieren, das ist nicht sehr aufwendig, Stressreduktion, ein bisschen regelmäßig Sport treiben führen dazu, dann spare ich in sechs Jahren ein komplettes Jahr Herzarbeit. Es gibt kein besseres Argument dafür, etwas fürs Herz-Kreislauf-System zu tun. Das muss man sich überlegen. Man spare Schläge durch regelmäßiges Ausdauertraining.
Zweitens: Das Immunsystem wird deutlich besser. Das heißt, wir bekommen eine deutlich bessere Polizei, eine deutlich bessere Abwehr, weil sich zwei Veränderungen ergeben: Erstens erhöht sich die Anzahl der Abwehrzellen, wir bekommen also mehr davon. Und zum Zweiten sind die Killerzellen deutlich aktiver und zielgenauer, die Einsatzkommandos werden deutlich besser, weil sie viel spezifischer die Eindringlinge erkennen können.
Knochen leben davon, dass sie belastet werden. Knochen brauchen Stoßbelastung, relativ starke Stoßbelastung. Knochen erneuern sich übrigens alle 15 Jahre komplett und das kann ich fördern, indem ich hüpfe, springe, laufe, also Stoßbelastung über die Fußsohle wieder hinein bringe, das festigt Knochen und erhält vor allen Dingen die Vitalität des gesamten Stütz- und Bewegungssystems. Und wenn ich dann noch den Knorpel betrachte, der ja die Knochen schützt, gerade in den großen Gelenken, der hängt nämlich am Tropf der Bewegung, der ist nicht blutig versorgt, da kommt Wasser rein und das geht nur über Walken, Druck und ähnliche Dinge, Diffusion, also Übertragung über Wasser, dann kommen die Nährstoffe in den Knorpel hinein. Und Knorpel von Bewegungsmenschen ist fast doppelt so dick, im Kniegelenk zum Beispiel vier Millimeter dick, im Vergleich zu nicht sportlichen Menschen. Dementsprechend habe ich deutlich weniger arthrotische Veränderung, das Kniegelenk ist immer, das Hüftgelenk viel besser geschützt. Heißt auf der anderen Seite, wir helfen uns letztendlich Beweglichkeit zu erhalte.
Muskeln sind immer trainierbar, egal wie alt ich bin, oder von welchem schlechten Zustand ich auch komme. Sie sind immer wieder anpassbar und das zu erleben, ohne dass ich mich dann ins Sportzeug zwängen muss, ohne dass ich groß ins Schwitzen gerate, ist eine ganz einfache Möglichkeit Leistungsfähigkeit wieder zu erarbeiten. Gerade wenn wir über 50 sind, gibt es ein Phänomen, was wir in Deutschland noch nicht so richtig beschreiben, auch in der Wissenschaft. Wir nennen das die sogenannte Sarkopenie. Sarkopenie ist ein Begriff der aus dem Griechischen kommt, und bedeutet: Verlust des Fleisches. Und wie sieht der 50-jährige Mann aus? Dünne Beine, dicker Bauch. So kann man es beschreiben. Woran liegt das? Das liegt daran, weil sich im Körper das Verhältnis verändert hat zwischen Fettmasse und Muskelmasse. Der Mann sollte in diesem Alter immer noch 35 bis 40 % Muskelmasse haben und das ist den meisten Männern verloren gegangen. Frauen übrigens kleiner 35 %, aber auch die brauchen relativ viel Muskelmasse. Und wenn Muskelmasse verloren ist, das nennen wir die sogenannte Sarkopenie. Und da gehen eben bestimmte Strukturen der Muskulatur besonders verloren, nämlich diejenigen, die kräftig sind, die schnelle Arbeit machen, die also viel Leistung erbringen können. Und das ist aber dann auch ganz einfach wiederum zu beheben. Das bedeutet also, dass wenn wir ein Training der großen Muskelgruppen machen: Wade, Oberschenkel, Gesäß, Bauch, Rücken und Schultern, dann erreichen wir relativ schnell einen großen Effekt, weil wir damit die Muskelmasse wieder erhöhen. Und das wiederum bringt den Stoffwechsel wieder ins Gleichgewicht, weil wir eben dann nicht nur Fettmasse verlieren, sondern Muskelmasse aufbauen. Wir dürfen gerade ab dem 50. Lebensjahr nicht nur darauf achten, Fett zu reduzieren, Energie einsparen. Nein, die wichtigste Aufgabe, gerade für den Mann ab 50 ist, Muskelmasse hoch zu halten. Nur was genutzt wird entwickelt sich, was ungenutzt bleibt, das verkümmert. Und Muskeln haben leider das Blöde: „use or loose it“.
Bewegung ist nicht nur Medizin und Therapie für den Körper, auch die Psyche und unser Nervensystem können von der täglichen Trainingseinheit profitieren. Bewegung – der Stresskiller par excellence!
PROF. INGO FROBÖSE
Resilienz ist ja gerade ein ganz geflügeltes Wort und bedeutet auch: Wie gehe ich mit Stress um? Und da ist mir ganz wichtig, dass wir lernen, zu regenerieren, uns wieder aufzubauen, uns zurückzuführen von der Belastung. Das bedeutet also, dass ich lernen muss, mit dem Stress umzugehen. Das Gehirn braucht eine Waschmaschine. Jeden Tag muss es gereinigt werden und frisch durchgepustet werden. Und auch da hilft körperliche Aktivität, es ist wie ein Ventil, es reguliert Psyche durch die Körperlichkeit. Das heißt indem ich körperlich aktiv werde, entstresse ich mich, weil hormonelle Prozesse sich verändern. Ich werde die Stresshormone los, weil sie verbraucht werden und dementsprechend die Reaktionen viel gelassener werden. Und wenn ich dann um mich auszubalancieren dafür die körperliche Aktivität nutze, dann bin ich danach viel resilienter, viel leistungsfähiger, weil ich eben den Körper jeden Tag wieder in die Normalität zurückgeführt habe. Denn was wir Menschen lernen müssen: Jeden Morgen muss der Akku wieder voll sein. Genau das Gleiche, was wir mit dem Smartphone machen. Und das können wir nicht dem Zufall überlassen, der Akku muss morgens geladen sein. Und wir wissen ja, was das ist, wenn wir mit einem leeren Smartphone unterwegs sind, wir werden verrückt. Ja, aber warum starten wir in den Alltag häufig mit einem nicht vollen Akku? Würde ein Spitzensportler niemals machen? Spitzensportler investieren extrem viel, indem sie sehr viel für die Regeneration tun, um den Stress der Belastung des Sports, des Wettkampfs zu bearbeiten. Genau das brauchen wir im Alltag auch. Runterkommen. Nutzen wir dafür den Beschleuniger der körperlichen Aktivität.
Auch wenn nicht jeder ein Spitzensportler sein kann oder werden will, lernen kann man von ihnen, wie man mit seinen körperlichen Ressourcen optimal und achtsam umgehen kann.
PROF. INGO FROBÖSE
Wir meinen ja immer, oder Männer meinen häufig, sie sind das starke Geschlecht. Dabei ist es ja gar nicht so, wir sind genauso wenig stark wie alle anderen in unserer Gesellschaft. Nur, wir müssen das akzeptieren und damit umgehen und nicht verdrängen. Und das hat sich bei uns in den vielen Studien eben auch gezeigt, dass Männer sehr gute Verdränger sind und dann irgendwann zusammenbrechen, weil sie ihre eigenen Schwächen nicht akzeptieren und erkennen. Und ich glaube, das ist ganz wichtig, auch für den Mann, zuzugeben, dass sich etwas verändert hat, Alterungsprozesse anzunehmen, Veränderungen anzunehmen, Leistungsveränderungen auch anzunehmen und anzuerkennen und vor allen Dingen selbstständig etwas dagegen zu tun.