Burnout – auf diesen Begriff trifft man häufiger in den Medien und auch in der Alltagssprache. „Burnout“ – das steht sehr direkt für: es geht gar nichts mehr! Und mittlerweile ist es auch Sammelbegriff für Menschen die aufgrund von Überlastung, welcher Ursache auch immer, total erschöpft, eben ausgebrannt sind.
Sven Hannawald, Skisprunglegende
…eigentlich geht man zum Arzt und hofft, dass man nichts hat, aber in dem Fall bin ich eigentlich zu jedem Arzt gegangen und habe die Hoffnung gehabt, dass er mir irgendwas erzählt hat, dass ich endlich diesen Grund habe, was für das Chaos in mir verantwortlich ist.
Moderator:
Es hat ja insgesamt im Prinzip anderthalb Jahre gedauert, bis dann für Sie das erste Mal die Diagnose stand, eine psychosomatische Erkrankung, Burnout.
Sven Hannawald:
Klar, ich war natürlich irgendwie froh, auch mit den ganzen immer immer extremer und schwer anfühlenden Symptomen, dass ich endlich bei jemandem war, der mir sagen konnte, was ist und das war mir völlig egal, selbst wenn er was anderes gesagt hätte, es wäre mir auch wurscht gewesen, weil ich einfach ab dem Zeitpunkt den Grund habe dafür, für das Chaos und dementsprechend natürlich ab dem Zeitpunkt auch die Möglichkeit habe, endlich wieder auf den gesunden Weg zu kommen und das es natürlich damals hieß Burnout und dringendst in die Klinik…
Die Erfahrungen mit einer psychischen Erkrankung haben Sven Hannawald bewogen sich in der Präventionsarbeit zu engagieren. Bei Projekten, in Organisationen, wie dem Aktionsbündnis seelische Gesundheit, oder auf Veranstaltungen wie dieser.
Sven Hannawald
Der hauptsächliche Beweggrund ist, dass ich merke, dass Leute in mir das Beispiel sehen, wie offen damit man umgehen kann und wenn ich präsent bin, dass ich vielen Menschen die Unterstützung und den Mut geben kann, dass sie sich jetzt endlich um sich kümmern und nicht gucken, was rechts und links passiert.
Mittlerweile befürchten mehr als Fünfzig Prozent der Bundesbürger aufgrund von Überlastung krank zu werden und die Angst vor einem Burnout hat unter den Beschäftigten zugenommen. Burnout galt lange auch als eine Modekrankheit für Menschen, die sich gestresst fühlen. Das hat sich geändert, denn seit 2022 gibt es für Burnout einen Diagnoseschlüssel, eine sogenannte ICD Nummer, mit der Krankheiten zugeordnet werden können.
Esin Taskan, Leiterin Präventionsabteilung Gesundheit-Medizin-Psychologie BG RCI
Nach dem ICD-11 ist Burnout definiert als ein Syndrom und als Erscheinungsform werden dort erwähnt, also Symptome, die erfüllt sein müssen, sind zum einen ein Erschöpfungszustand bei den Betroffenen, zum anderen eine emotionale Distanz zur Arbeit, die sich auch in Form von Negativismus oder Zynismus bezogen auf die Arbeit äußern kann. Man muss dazu sagen, dass Burnout nicht sehr trennscharf ist von Depression, Symptome ähneln sich und gleichen sich und bis heute gibt es da auch keine eindeutige Meinung, gehört nun Burnout zur Depression, ist es quasi eine andere Variante, oder ist das eine eigenständige Erkrankung? Und dadurch, dass das wissenschaftlich nicht trennscharf getrennt werden kann und die Forschung dazu auch noch nicht so weit gediehen ist, wird das eben als Syndrom definiert, woraus sich aber wiederum in der Therapie und der Behandlung Unterschiede ableiten lassen im Vergleich zur Depression.
Diese Komplexität und auch die Vielfalt der Beschwerden haben nicht nur Einfluß auf die Therapie, sondern besonders auf die Dauer des Genesungsprozesses, diese Erfahrung mußte auch Sven Hannawald machen.
Moderator
Aber es war ja ein wirklich langer Weg, der da jetzt vor Ihnen lag.
Sven Hannawald
… das ist ja das, dass es der Nachteil von psychischen Erkrankungen oder von mentalen Gesundheitsproblematiken ist, dass sie sich ja schleichend ankündigen. Also es fängt irgendwann an mit einer körperlichen Müdigkeit, wo ich ja am Anfang noch eine Stunde länger geschlafen habe, habe ich im Griff gehabt. Aber auch da sage ich schon, dass wenn der Körper schon mal Müdigkeit ausstrahlt, dann ist es schon mal an den Punkt gekommen, was eigentlich für den Körper zu viel war.
So, jetzt schläft man da mal eine Runde, oder man nimmt sich ein bisschen raus, dann ist das händelbar. Und das ist ja auch das, dass ich ja eigentlich den Weg, der mich erfolgreich gemacht hat, wenn alle sich ausgeruht haben, habe ich gearbeitet und war erfolgreicher, habe sie alle überholt. Ich konnte ja nicht sagen, okay, der Weg ist falsch, weil er war ja erfolgreich.
Und dementsprechend gehst du den natürlich weiter. Du merkst nicht, dass du ihn noch intensiver weitergehst und du dadurch auch erfolgreicher wirst. Und parallel merkst du auch nicht, dass du dir wieder eine Stunde vom Alltag wegnimmst, wo du dich nicht rausnehmen kannst und das Skispringen mal irgendwo in eine Ecke stellen kannst, sondern ich war dann eben so, dass 24 Stunden, sieben Tage die Woche nur Skispringen in meinem Kopf stattgefunden hat.
Das ich natürlich nach einem Krafttraining, wenn wir nach Hause gekommen sind, nicht runter in den Keller bin und weiter trainiert habe, ist klar, weil Muskulatur ist natürlich das Einzige, was dir klar sagt, ich bin platt, ich muss mich ausruhen, das gib sie zu, aber Kopf braucht keine Pause, gefühlt.
Und das ist das, was mir natürlich heute, wenn sich dann Leute fragen, ja, der war ja früher Profisportler und das ist wahrscheinlich eine andere Art von Burnout, was mich mit der heutigen Zeit bindet, ist, dass auch heute die Generation mit der einfacheren Arbeit nur mit dem Kopf noch arbeitet und dementsprechend, ich habe früher 24 Stunden, sieben Tage die Woche Skispringen gedacht und heute kommen die Leute aus ihrer beruflichen Situation vom Kopf her, Bürotätigkeiten, nicht mehr raus und das eint und das ist das genau, wo man gucken muss, wo ich mir keine Pause mehr eingestehen konnte, wo heute vielleicht auch keiner sich Pausen eingestehen kann, das eint mich und deswegen wundert es mich nicht, dass in der heutigen Zeit mit dem Ablauf vom Arbeiten und alles die Zahlen so hoch gehen, weil man nicht mal rauskommt aus dem ganzen Thema.
Esin Taskan, Leiterin Präventionsabteilung Gesundheit-Medizin-Psychologie BG RCI
Es ist so, dass bei Burnout, das ist das Neue an der ICD-11-Klassifikation, dass in der Vergangenheit Burnout nicht explizit auf die Arbeitswelt bezogen definiert war. Das ist jetzt neu mit der ICD-11 eingeführt worden. Das heißt also, man spricht von Burnout nur im Kontext von chronischem Stress am Arbeitsplatz. Das heißt jetzt nicht, dass man nicht auch chronischen Stress im Privaten haben kann, denken Sie an die vielen Menschen, die Angehörige haben, die sie pflegen, oder auch andere Probleme, eigene chronische Erkrankungen und dergleichen. Das ist aber nicht mehr Gegenstand bei einer Burnout-Diagnose. Also das darf man nicht mehr heranziehen, um jemanden mit Burnout zu diagnostizieren. Das ist wichtig. Heißt aber nicht, dass diese Belastungen nicht tatsächlich existieren, auch im Privaten. Aber die Definition hat sich jetzt ganz klar verlagert auf die Arbeitswelt.
Die ICD -Einstufung in Form einer offiziellen und auch spezifischen Diagnose bietet neben dem Einsatz dafür geeigneter therapeutischer Möglichkeiten, vor allem Ansätze in punkto Ursacherkennung und gezielte Strategien diese zu beseitigen.
Esin Taskan, Leiterin Präventionsabteilung Gesundheit-Medizin-Psychologie BG RCI
Für uns als Unfallversicherung bedeutet das, dass wir jetzt stärker auch den Augenmerk hier auf die Prävention legen. Wir haben ja den Auftrag, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und auch arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Und Burnout-Prävention gehört in die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Und insofern werden dazu Seminare angeboten von den Unfallversicherungsträgern. Wir verweisen immer wieder darauf, dass es wichtig ist, hier auch die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchzuführen, als Präventionsmaßnahme, um zu erkennen, wo Arbeitsbedingungen vorhanden sind, die eben solche Fälle begünstigen könnten. Das heißt, es gibt bestimmte arbeitsbedingte psychische Belastungsfaktoren, die man sich genauer anschaut und die man im Zuge der Ermittlungen und Beurteilungen auch besser gestaltet im Nachhinein.
Und insbesondere diese Arbeitsbedingungsfaktoren wie zum Beispiel Arbeitsmenge oder auch Arbeitszeit sind bei der Entstehung von Burnout beteiligt. Für uns ist dadurch die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung ein zentrales Instrument für die Prävention von Burnout, aber auch anderen möglichen psychischen, aber auch körperlichen Erkrankungen, die entstehen, weil eben eine hohe Überforderung, oder ein hoher Stress bei der Arbeit vorhanden ist.
Arbeitsgestaltung, das unterliegt in erheblichen Maße der Verantwortung von Führungskräften, wie und mit welchen Strategien kann und sollte besonders eine Burnout Prävention geleistet werden?
Esin Taskan, Leiterin Präventionsabteilung Gesundheit-Medizin-Psychologie BG RCI
Also es ist gut, wenn in einem Unternehmen, in einem Betrieb, Strukturen etabliert sind, die es der Führungskraft leicht machen, hier auch Angebote machen zu können, den Beschäftigten. Also gibt es ein betriebliches Gesundheitsmanagement im Unternehmen, gibt es ein Arbeitsschutzmanagement System, gibt es eben Strukturen, weiterführende, gibt es betriebliche Multiplikatoren wie Gesundheitslotsen, Suchtbeauftragte oder auch betriebliche psychologische Erstbetreuerinnen und Betreuer. Als Beispiel gibt es im Betrieb das Employee Assistance Programm, das wir auch Betrieben gerne empfehlen. Das sind externe Dienstleister, die werden von den Betrieben beauftragt und Beschäftigte können sich anonym an diesen externen Dienstleister wenden und dann bekommen Sie dort erste Beratung. Also das können persönliche Probleme sein, arbeitsbezogene Probleme sein und Sie würden aber dort erstmal beraten werden und weitere Möglichkeiten und Angebote erhalten. Das Schöne ist eben, dass es wirklich anonymisiert abläuft.
Arbeitsbedingungen zu verändern sind die eine Seite, doch es gilt daneben auch Warnsignale zu erkennen und persönliche Strategien zu entwickeln. Was kann man selbst tun?
Esin Taskan, Leiterin Präventionsabteilung Gesundheit-Medizin-Psychologie BG RCI
Ich denke, es gibt schon viele Signale und Hinweisreize, die die Betroffenen auch selber wahrnehmen. Wenn man eben feststellt, ich werde mit der Arbeit nie fertig, ich nehme immer wieder neue Aufgaben an, ich habe immer das Gefühl, ich müsste Leistung geben und ich brauche das. Das ist ja auch so, dass diejenigen, die sehr viel leisten und sehr leistungsfähig sind, sich auch ein Stück weit darüber definieren und dieses hohe Arbeitsengagement kann auch dazu führen, dass man gerade eben für Burnout besonders anfällig ist. Das muss nicht sein, es kann aber sein und wenn man dann bemerkt, dass man das Gefühl hat, keine Wirksamkeit mehr zu entfalten in dem, was man tut, dass man denkt, man arbeitet ineffizient, man nimmt sich keine Pausen mehr, man arbeitet über das Wochenende hinaus, man versucht, die Erschöpfungszustände, die man an sich selbst wahrnimmt, auszublenden, ich muss weitermachen und so. Also das sind so Dinge, wo man mit ein bisschen mehr Achtsamkeit vielleicht auch für sein eigenes Befinden da auch was verändern könnte, indem man dann halt überlegt, okay, vielleicht ist hier nichts an mir falsch, sondern einfach die Arbeitsmenge
Sven Hannawald, Skisprunglegende
Und dieses einfache Prinzip, auf die innere Stimme zu hören, aufzunehmen, das möchte ich eigentlich den Leuten wieder näher bringen. Das ist nicht eine große Agenda, wo man dann irgendwo viele Dinge einhalten muss und das darf ich nicht mehr und das. Die können eigentlich weiter im Leben stehen, nur müssen sie bewusster auf das Thema Pausen eingehen, weil wer Pausen macht, und ich konnte es mir damals eben nicht mehr eingestehen, der hat dann die Effektivität und die Energie und kann natürlich dann auch wieder powern, weil ohne Stress kommen wir auch nicht klar. Also der Stress ist gut, nur möchte in der heutigen Zeit natürlich keiner mehr welchen, weil man es immer damit verbindet, dass es krank macht.
Burnout ist nach wie vor ein ernsthaftes Problem, und die auslösenden Faktoren sind auch im Arbeitsfeld vielfältig und es sind eben nicht nur Überlastung und Stress, sondern ebenso häufig sind soziale Konflikte die Ursache. Und auch wenn es nicht immer gelingen kann, diese zu vermeiden, so gilt es sie zu erkennen und entschieden dagegen anzusteuern, bevor sie chronifizieren oder eskalieren können. Für diese wichtige Aufgabe in der Präventionsarbeit gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Instrumenten und Hilfsmitteln, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist eine wichtige davon. Das von der BG RCI entwickelte Programm psyBel bietet ein optimales Instrument sie effizient umzusetzen.