New Work

NEW WORK – ein Sammelbegriff für Arbeits- und Unternehmensmodelle der Zukunft in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung. Mit einigen Beiträgen und Beispielen wollen wir ihn mit Leben füllen.
„11 Werte einer neuen Arbeitswelt“ und „Veränderungsprozesse sicher und gesund gestalten – Auf die Haltung kommt es an“, waren die Themen von zwei Vorträgen auf einem Workshop der DGUV auf der A+A. Beide stellen wir hier vor. Doch wir werden die verschiedenen Aspekte dieses umfassenden Themas weiter verfolgen. Zum Beispiel, wie sich Digitalisierung im BGM nutzen lässt oder wie Gesundheitsförderung zielgruppenorientierter organisiert werden kann.

Veränderungsprozesse gesund gestalten

Die meisten kennen es aus ihrem Arbeitsumfeld: Umstrukturierung! Und die meisten haben damit nicht immer positive Erfahrungen gemacht. Im Rahmen eines Vortrags auf dem A+A Kongress erklärt die Leiterin des Fachbereichs Gesundheit im Betrieb der DGUV, Sieglinde Ludwig, wie man Veränderungsprozesse sicher und gesund gestalten kann.
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Sieglinde Ludwig leitet den Fachbereich Gesundheit im Betrieb in der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und in ihrem Vortrag „Veränderungsprozesse sicher und gesund gestalten – Auf die Haltung kommt es an.“ stellt sie einige von der DGUV entwickelte Handlungsanleitungen vor.

Sieglinde Ludwig, DGUV
Veränderungsprozesse sind einfach an der Tagesordnung. Ob es sich nun um Outsourcing handelt, ob es sich um Fusionen handelt oder ob es einfach interne Reorganisationen sind, weil man erkannt hat, da sollte etwas vielleicht zusammengebracht werden, was zusammengehört. Auf alle Fälle beeinflusst das massiv die Unternehmensstruktur und auch die Unternehmenskultur und damit die Haltung, die Haltung im Unternehmen.
Die Veränderungsprozesse haben Auswirkungen. Das wurde schon vor der Pandemie festgestellt in einer BIBB-BAuA-Studie. Bundesinstitut für Berufsbildung und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin haben diese Untersuchung 2018 durchgeführt und die Frage lautete: Wie viele Restrukturierungs- oder Veränderungsprozesse haben Sie innerhalb der letzten zwei Jahre erlebt? 47 Prozent der Unternehmen im produzierenden Gewerbe hatten Veränderungsprozesse.
Die Beschäftigten wurden dann befragt: Was hatten diese Veränderungsprozesse für Auswirkungen? Und die Auswirkungen waren vor allen Dingen natürlich die erhöhte Leistungsbereitschaft, die gefordert wurde, dadurch der Termin- und Leistungsdruck und demzufolge sehr viele psychischen Belastungen, die Sie hier abgebildet sehen. Die Ausprägung war bei den Beschäftigten, die wirklich Veränderungsprozesse durchgemacht haben, wesentlich stärker, wie das, was man gedacht hat.
Eigentlich ziemlich fatal. Und das, was hier ausschlaggebend ist, sind eben zum Beispiel allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit bis hin zur Erschöpfung, Kopfschmerzen, nächtliche Schlafstörungen, also sehr dramatisch. Und wir sollten doch eigentlich sicher und gesund arbeiten. Das führt uns zu der Frage: Wie erfolgreich sind eigentlich solche Restrukturierungs-Maßnahmen?
60 bis 70 Prozent aller Restrukturierungen scheitern. Das ist dramatisch. Das ist nicht gut und das ist Ressourcenverschwendung in unserer Gesellschaft, insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.

Es gibt häufig keine klare strategische Ausrichtung. Es gibt Umsetzungsschwächen und man hat sich manchmal auch nicht wirklich mit dem auseinandergesetzt, was der Kunde will. Keine Kundenorientierung.
Und der wichtigste Faktor für das Gelingen bzw. das Misslingen von Veränderungsprozessen ist der Mensch. Das sind die Beschäftigten. Die Beschäftigten sind das höchste Gut eines jeden Unternehmens. Und um die müssen Sie sich kümmern. Denn häufig sind die Tatsachen einer unklaren und fehlenden Kommunikation, einer mangelnden Beteiligung an diesem Veränderungsprozess der Beschäftigten oder auch einfach, dass die Bedürfnisse dieser Beschäftigten ungenügend berücksichtigt werden, die Ursache für das Scheitern. Eigentlich relativ simpel.
Denn das führt uns ja dazu, wie man diese Herausforderungen bewältigen kann. Man kann sie bewältigen, indem man einfach ein gesundes Veränderungs-Management auf den Weg bringt, indem man die Beschäftigten möglichst frühzeitig mit einbindet.
Wenn Sie sich dieses Veränderungsmodell, das auch schon relativ alt ist, von Herrn Kurt Lewin ansehen, so hat jeder Prozess drei Phasen:
Die erste Phase ist vor dem Wandel und die antreibenden Kräfte sind mit dem Pfeil nach oben dargestellt, die widerstrebenden Kräfte mit dem Pfeil nach unten.
In der zweiten Phase erleben die Beschäftigten aber vor Ort, was diese Konsequenzen eigentlich sind. Und deshalb wird Widerstand erzeugt und dieser Widerstand kann unter Umständen dazu führen, so wie hier dargestellt, dass die Produktivität im Unternehmen sogar sinkt. Dort muss dann gegengesteuert werden. Es braucht also Führungskräfte, es braucht handelnde Personen, die sich um die Beschäftigten kümmern, gesundheitskompetente Führungskräfte, weil die eben der Maßstab sind, ob ein Restrukturierungsprozess gelingt oder eben nicht.
Denn die Führungskräfte stehen unter dem Management, das den Prozess beschlossen hat, und sie stehen über den Beschäftigten, wenn man es jetzt hierarchisch betrachtet, sie sind der Mittler und sie steuern eben diese Restrukturierungsprozesse und dafür brauchen sie eine Haltung. Sie müssen diesen Prozess positiv gegenüberstehen. Sie müssen davon überzeugt sein. Sie müssen ein klares Ziel, was damit verbunden ist, vermitteln können. Und am besten eben mit einem begeisternden Stil.

Und dazu hat das Sachgebiet Veränderung der Arbeitskultur, eine Handlungshilfe erarbeitet. „Sicher und gesund in Veränderungsprozessen“ und in dieser Handlungshilfe ist unter anderem eine Checkliste. Und da habe ich „dos and don’ts“ herausgegriffen.
Und das erste ist: Veränderungen brauchen öffentliche Erklärungen.
Der Sinn und der Zweck mit dem was ich beabsichtige, muss ganz klar artikuliert werden und damit verbunden auch die neuen Perspektiven. Was erhoffe ich mir von diesen Veränderungen? Es muss jeder Einzelne im Betrieb verstehen, was damit gemeint ist. Das ist ganz, ganz wichtig. Und deshalb bedarf es hier in erster Linie des Managements, das diese öffentliche Erklärung eben abgibt und danach bedarf es der Führungskräfte, die die entsprechende Haltung haben bzw. hoffentlich bereits auch mitentwickelt haben. Dass das ein guter und zielführender Weg ist. Es geht also um Informationskultur.

Dann geht es um Beteiligungskultur. Veränderungen erfordern immer auch eine Beurteilung der Gefährdungen. Und hier ist es eben ganz wichtig, dass die Beschäftigten möglichst frühzeitig in die Veränderungsüberlegungen einbezogen werden und dass die Umsetzung von den Führungskräften unterstützt wird. Das gegebenenfalls Qualifizierungsmaßnahmen erfolgen, um Beschäftigte oder auch Führungskräfte entsprechend mit den ausreichenden Kompetenzen auszustatten. Im Sinne einer Gefährdungsbeurteilung müssten in diesem Prozess auch entsprechende Anpassungen erfolgen, insbesondere im Hinblick auf die psychische Belastung. Es geht um das, wie setzen wir diese Veränderung um? Wie erreichen wir das Ziel und womit erreichen wir es? Was aber zu diesem Zeitpunkt, wenn der Prozess angestoßen ist, nicht mehr in Frage gestellt werden sollte, ist das ob.
Veränderungen brauchen Raum für Fehler und für Experimente. Diese geschützten “Ausprobier-Räume“ sind wesentlich und dafür muss Zeit eingeplant werden. Ein Veränderungsprozess ist nicht mal so eben nebenbei zu machen, sondern ein Veränderungsprozess braucht Zeit und deshalb sollte gegebenenfalls auch darüber nachgedacht werden, wie ich den unterstütze. Zum Beispiel mit ergänzenden personellen Ressourcen, indem ich mehr Fachkompetenz ins Haus hole.
Es ist einfach wichtig, immer wieder zu reflektieren: Sind wir auf dem richtigen Weg?

Ein wichtiges und unverzichtbares Instrument um Prozesse zu gestalten ist die Gefährdungsbeurteilung Psychischer Belastung am Arbeitsplatz, wie kann sie hier konkret genutzt werden?

Sieglinde Ludwig, DGUV
„Zur GBU gehört ja auch… Es gibt ja zum Beispiel das Instrument der Mitarbeiterbefragung und da kann man sehr gut darauf eingehen. Auch wie informiert fühlen die sich? Haben Sie wirklich den Eindruck, dass das Unternehmen Ihnen die wesentlichen Entscheidungen mitteilt? Wie steht es sozusagen mit der Informationskultur? Das ist aus meiner Sicht sehr einfach und man kann genauso auch dann fragen in Richtung Beteiligungskultur, die ja das zweite wesentliche Element ist. Inwiefern werden sie eben beteiligt, wenn es um interne Reorganisation oder um Veränderungsprozesse geht? Oder auch gibt es so etwas, um mal einen anderen Aspekt zu bringen, wie ein Ideenmanagement, wenn sie einen Verbesserungsvorschlag haben. Können sie den einbringen, wird der aufgegriffen, wie wird damit umgegangen? Das ist ja Beteiligung und das macht ja das Unternehmen wertvoll, wenn aus den eigenen Arbeitsbereichen Ideen zur Weiterentwicklung kommen, die dann auch das Unternehmen voranbringen.“

Bei Veränderungsprozessen steht besonders das Agieren der mittleren Führungskräfte im Fokus, die sich dabei in einer nicht komfortablen Sandwichposition befinden.

Sieglinde Ludwig, DGUV
„Das Unternehmen kann nichts tun, um das zu vermeiden. Die Führungskräfte der mittleren Ebene, oben ist das Management, unten sind die Beschäftigten, sind in dieser Position. Die Frage, die also gestellt werden muss ist: Wie gestalte ich diese Funktion, diese Tätigkeit der Führungskräfte, so dass die sicher und gesund bleiben? Und dafür gilt eben das, was eigentlich auch für die Beschäftigten gilt, auch das Management muss sich um die Führungskräfte kümmern, es muss ihnen Qualifikationsmöglichkeiten bieten, es muss sie unterstützen, wenn es eben Ressourcenprobleme gibt, das Management muss ein offenes Ohr dafür haben.“

Für den Erfolg von Veränderungsprozessen ist gute Vorbereitung entscheidend. Zu den einzelnen Handlungsfeldern bieten DGUV und BGRCI eine ganze Palette an Unterstützungsangeboten in Form von Seminaren und Informationsmaterialien. Einige Links dazu auf dieser Website.

Weiterführende Links: