Nachhaltigkeit & BGM

CSRD, ESRS, CSR, CSRG und SDG sind einige bis dato wenig bekannte Kürzel, die im Rahmen der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung benutzt werden. Diese neue Pflicht für Unternehmen tritt in Deutschland schrittweise in Kraft. Auch wenn Nachhaltigkeitsstrategien für die meisten großen Unternehmen mittlerweile zur täglichen Praxis gehören, stehen sie vor der Herausforderung, sie an jeweils neue Entwicklungen anzupassen. Laut EU soll „der bürokratische Aufwand für die Unternehmen dabei auf das absolut erforderliche Mindestmaß begrenzt werden.“ Doch seitens der Behörde liegt noch keine Standardisierung der Berichtspflichten vor, was zu Unsicherheiten bei der Umsetzung führen kann. Zudem verfügen viele Unternehmen möglicherweise nicht über die nötigen Ressourcen und das Fachwissen, um die Anforderungen optimal zu erfüllen. Besonders kann das kleine und mittlere Unternehmen betreffen, denn auch wenn es für diese Betriebe noch keine Pflicht zur Berichterstattung gibt, wird ihnen aus vielerlei Gründen empfohlen, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. Abgesehen von moralischen Beweggründen bietet die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle klare Wettbewerbsvorteile, denn immer häufiger erwarten Kunden, öffentliche Auftraggeber, Banken und Investoren Informationen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Dabei wird in vielen mittelständischen Unternehmen bereits seit langem nachhaltig agiert, ohne dass es explizit so bezeichnet wird. Das trifft besonders auf Aktivitäten und Komponenten des Betrieblichen Gesundheitsmanagements zu.

13. Fachtagung Betriebliches Gesundheitsmanagement am 29.04.2025 in Aalen

„Qualität im BGM nachhaltig sichern – Best Practice im Unternehmen“

Das bewährte Konzept der Veranstaltung „Wissenschaft trifft Praxis“, die der Arbeitgeberverband gemeinsam mit der Hochschule Aalen durchgeführt hat, zeigt Praxisbeispiele aus Unternehmen und die Vielfalt der Perspektiven im BGM. Wie kann Nachhaltigkeitsmanagement mit den Aufgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes verknüpft werden? Welchen Nutzen bieten Daten- und Kennzahlenanalysen bei der Prozessoptimierung im BGM?

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Mittlerweile sind sie zu einer Tradition geworden. Die Fachtagungen BGM, zu denen der Arbeitgeberverband Südwestmetall gemeinsam mit der Hochschule Aalen einmal im Jahr einlädt. Nachhaltigkeit im BGM ist das Thema der 13. Tagung. Und das Konzept „Wissenschaft trifft Praxis“ hat sich bewährt.

MARKUS KILIAN, Geschäftsführer Arbeitgeberverband Südwestmetall
Ja, es hat mit einem Pilotversuch gestartet, dass man zum ersten Mal eben eine Tagung ins Leben gerufen hat und die aber von Beginn an mit der Hochschule Aalen gemeinsam gestaltet hat, um die Aspekte aus Praxis und Wissenschaft zu vereinheitlichen, zusammenzuführen und da ein ganzheitliches Paket dann auch zu haben für diese Tagung. Und das hat sich beim ersten Mal bereits bewährt.

KAI SCHWEPPE, Geschäftsführer Arbeitgeberverband Südwestmetall
Gesundheit zu fördern ist ja eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Ein wichtiges Thema, das viele Unternehmen interessiert. Viele wollen was tun für ihre Beschäftigten. Aber andersrum fragen auch viele Beschäftigte nach: Habt ihr Angebote in der betrieblichen Gesundheitsförderung, im betrieblichen Gesundheitsmanagement? Und das wollen wir unterstützen, da wollen wir unseren Unternehmen helfen. Und hier in Aalen auf unserer BGM-Tagung, da gibt es über viele Jahre schon interessante Hinweise, gutes Netzwerken und viele, viele Tipps für die Unternehmen.

Teilnehmerin
Ich bin jetzt zum vierten Mal hier. Ich habe angefangen damals, dass ich im Praktikum schon herkommen durfte bei BITZER und mir gefällt es wirklich sehr gut.

Teilnehmer
Heute zum dritten Mal und wie immer eine interessante Mischung aus Praxis und Wissenschaft.

Teilnehmer
Bewogen hat mich natürlich das Thema BGM, weil ich selber als Gesundheitsmanager beschäftigt bin. Aber hauptsächlich sozusagen die Nachhaltigkeit zur BGM. Also jeder macht ja was, aber was bleibt letztlich, was bleibt da, was ist wirksam, was ist nachhaltig? Das hat mich eigentlich am meisten motiviert, heute hier hinzufahren.

Stellenwert und Relevanz von Nachhaltigkeit sind unumstritten. Doch die damit verbundenen Vorgaben zur EU-Berichterstattung sind nicht nur positiv belegt. Zum einen herrscht Sorge aufgrund des damit verbundenen bürokratischen Aufwands, aber auch das Verständnis der Details in den EU-Richtlinien fällt schwer. Mit seinem Vortrag gelingt es dem BGM-Berater Kurt Gläser, das komplexe Thema praxisbezogen aufzubereiten. Er zeigt auf, dass ein BGM oft bereits nachhaltig aufgestellt ist und so effizient in die Berichterstattung einbezogen werden kann.

KURT GLÄSER, Experte BGM@Nachhaltigkeit
Mein Thema ist die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und betrieblichem Gesundheitsmanagement. So ein Steckenpferd von mir, mit dem ich mich schon seit über zehn Jahren beschäftige. Und ich möchte Ihnen ein paar Perspektiven aufzeigen, Verknüpfungen zwischen diesen beiden Themen, weil wir mit der Meinung sind, Nachhaltigkeit ist so ein Thema, das auf der dreispurigen Autobahn oder vielleicht besser auf der doppelgleisigen ICE-Strecke unterwegs ist.
BGM ist nach wie vor häufig auf der holprigen Landstraße dritter Ordnung unterwegs. Warum nicht das Thema Nachhaltigkeit nutzen, um BGM auf dem Schirm der Unternehmensführung zu bringen, einfach wichtiger zu machen, also Nachhaltigkeit als trojanisches Pferd zu nutzen, um unser Thema BGM voranzubringen. Das Ziel ist, dass wir als BGMler, BGFler sagen können, okay, wir haben das Thema Nachhaltigkeit auf dem Schirm und wir prüfen unsere Angebote dahingehend, ob es irgendwelche Potenziale gibt in Richtung ökologische, soziale Nachhaltigkeit.

Wie das konkret funktionieren kann, das zeigt sich bei den Präsentationen der Best-Practice-Beispiele der Unternehmen. Unter dem Slogan „BGM und Nachhaltigkeit zusammengedacht macht Höhenflüge möglich“ präsentierte Veronika Winter, Abteilungsleiterin BGM im Unternehmen Vetter Pharma, das Nachhaltigkeitskonzept des Unternehmens in den einzelnen Handlungsfeldern des BGM.

VERONIKA WINTER, Abteilungsleiterin Betriebliches Gesundheitsmanagement – Vetter Pharma-Fertigung GmbH & Co. KG
Vetter macht Nachhaltigkeit ja in einem Nachhaltigkeitszirkel, da trifft man sich, der wird geleitet durchs EHS und da sind ganz verschiedene Bereiche auch beheimatet in diesem Zirkel, unter anderem eben auch das BGM und da schließt sich dann auch der Kreis, wenn man Nachhaltigkeit betrachtet, man kann das auf verschiedene Arten betrachten, kann man zum Beispiel auch sich anschauen, wir haben eine soziale, wir haben eine ökologische, wir haben eine ökonomische Nachhaltigkeit und wenn wir dann uns angucken, in der sozialen Nachhaltigkeit spielt BGM eine ganz wichtige Grundrolle, das ist eine Säule sozusagen der sozialen Nachhaltigkeit und genauso sind wir das bei Vetter auch angegangen, dass wir gesagt haben, lasst uns mal anschauen, welche Player aus welchen verschiedenen Bereichen zahlen denn auch das Thema Nachhaltigkeit heute schon ein, ohne dass wir das so benannt haben im Voraus, und da genau haben wir dann eben gemerkt, auf der sozialen Ebene durch die ganzen BGM-Angebote, durch die Förderungen der Mitarbeitenden und so weiter, sind wir eben da schon tief in der Nachhaltigkeit drin.

Ob und wie gesundheitsförderliche Angebote von den Mitarbeitern angenommen werden und inwieweit sich deren Einsatz auch ökonomisch lohnt, diese Fragestellung ist nicht nur berechtigt, sie hat auch eine nachhaltige Komponente. Michael Jörg, Gesundheitsreferent im Unternehmen BSI Hausgeräte GmbH, gibt mit seinem Praxisbeispiel einen Ein- und Überblick, welchen Nutzen Kennzahlen dabei bieten können, Prozesse im BGM zu optimieren und belegt, wie die Ergebnisse dabei helfen, die Akzeptanz bei Entscheidungsträgern zu erhöhen.

MICHAEL JOERG, Gesundheitsreferent Global Production – BSH Hausgeräte GmbH
Alles in allem können wir uns sagen, wir arbeiten auf drei Ebenen. Wir arbeiten auf Standortebene, wo wir überprüfen, wie sind die Rahmenbedingungen an unserem Standort, wie können wir die gesundheitsförderlicher gestalten. Wir arbeiten auf Abteilungsebene, wo wir dann speziell die Arbeitsplätze anschauen und sagen, wie können wir die Arbeitsplätze gesundheitsförderlicher gestalten und wir arbeiten auf Mitarbeiterebene, wo wir uns immer hinterfragen, wie können wir durch eine niedrige Schwelle, durch ein attraktives Angebot auch das Gesundheitsverhalten von den Mitarbeitern positiv beeinflussen.
In all diesen drei Ebenen nutzen wir Kennzahlen und da arbeiten wir uns jetzt von unten nach oben einmal durch und anfangen tun wir auf Mitarbeiterebene. Da analysieren oder evaluieren wir unsere BGF-Angebote. Ich glaube, das ist so die häufigste Form, wie man auch Kennzahlen im Betrieb nachher nutzt oder im Rahmen von BGM nutzt.
Als letzten Punkt möchte ich noch auf das Thema Herausforderungen eingehen. Da hat man wahrscheinlich wie bei allen bereichsübergreifenden Projekten das Thema Beteiligung aller Stakeholder mit drin. So war es auch hier.
Da musste man das eine oder andere dicke Brett bohren mit dem Hintergrund, wir haben doch schon bereits Kennzahlensysteme. Alle Bereiche intern, aber diese Kennzahlen, das war ja auch unser Ziel, nur die zu erheben, die wir schon haben oder zusammenzuführen, die wir schon haben. Was ist der Mehrwert davon?
Und letztendlich ist es so, Gesundheit lässt sich halt nicht in eine Abteilung pressen und dementsprechend war dann auch nachher nach der Diskussion die Akzeptanz aller Stakeholder da: ja wir brauchen das.

Aus der Praxis für die Praxis. Interessante Beispiele dieser Art gab es noch weitere. Was kam bei den Teilnehmern besonders gut an?

Teilnehmer
Also diese Qualitätssicherung, dieses Dashboard, das wir vorher gesehen haben und diese Kennzahlen, und wie man verschiedene Zielgruppen unterschiedlich anspricht. Das finde ich einen ganz interessanten Ansatz. Weil ich habe das gleiche Thema, ich habe Verwaltung und Produktionsmitarbeiter und die muss man einfach unterschiedlich ansprechen.

Teilnehmerin
Als ich das zweite Mal hier war, war das Thema BEM ganz groß und das war natürlich für unser Unternehmen sehr wichtig, weil wir das gerade in der Phase hatten, dass wir es bei uns auch implementieren nochmal mehr. Dieses Jahr ist es ja das Thema Nachhaltigkeit und das ist jetzt auch ein Thema, was wir immer mehr aufnehmen wollen. Deswegen können wir nur sehr viel lernen von der Veranstaltung heute.

Teilnehmer
Wir sind auch an der Nachhaltigkeitsstrategie dran, wie jedes Unternehmen. Also da sind wir auch schwer beteiligt seit drei Jahren jetzt glaube ich. Aber BGM ist nicht beteiligt. Das ist auch nochmal was, was ich mitnehme. Also dass das BGM da auch reingehört, habe ich heute gehört. Und ich werde versuchen, da jetzt auch in den Kreis der Nachhaltigkeitsleuten reinzukommen, dass ich da zukünftig mit dem BGM auch noch wirken kann.

KURT GLÄSER, Experte BGM@Nachhaltigkeit
Meine Botschaft wäre, dass sich Unternehmen, aber auch Unternehmensverbände, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Arbeitgeberverbände, dass sie das Thema laufend bespielen, um einfach die Sensibilität zu fördern bei den Unternehmern. Also es geht nicht hopplahopp von heute auf morgen. Das heißt, es ist ein längerer Prozess.

Und je früher Unternehmen anfangen, sich mit dem Thema zu befassen, analog zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, desto früher und desto besser sind sie dann aufgestellt, wenn es dann wirklich mal tatsächlich notwendig wird.

Verbindungen aufzeigen und Brücken schlagen. Zwischen bereits Vorhandenem und neuen Herausforderungen. Auch darum geht es beim Thema Nachhaltigkeit im BGM. Und das wurde auf dieser Tagung deutlich.